Gemäss Obligationenrecht muss es schnell gehen, wenn der Bauherr einen Mangel eines rechtzeitig rügen will (OR 367.1): Erkennbare Mängel sind sofort nach Abschluss der Prüfung zu rügen, versteckte Mängel sofort nach ihrer Entdeckung (OR 370.3). Als Richtwert gelten nach Bundesgericht dafür rund sieben Tage. Diese kurze Frist führt zu einem gewissen Druck der am Bau Beteiligten.
Neben der Rügefrist spielt auch die Verjährungsfrist eine wichtige Rolle – sie beträgt beim Werkvertrag 5 Jahre. Sie beginnt mit der Ablieferung des Werks und gilt auch für versteckte Mängel. Somit kann ein Anspruch aus einem versteckten Mangeln unter Umständen verjähren, bevor der Mangel entdeckt wird.
Um etwas Druck aus dem System zu nehmen, hat der Bundesrat vorgeschlagen, die Rügefrist für Mängel an unbeweglichen Werken auf 60 Tage nach Entdeckung zu erhöhen (auch für versteckte Mängel). Mit dieser längeren Frist sollen unnötige Streitigkeiten verhindert werden und die Unternehmer würden nicht wesentlich schlechter gestellt sein als heute.
So weit so gut – alles macht Sinn, wenn da nur nicht der Nationalrat im Herbst 2023 anderer Meinung gewesen wäre. Dieser hat beschlossen, dass Baumängel während einer zehn(!)jährigen Verjährungsfrist grundsätzlich jederzeit (!) gerügt werden können. Damit geht er weit über das hinaus, was aktuell das Obligationenrecht vorsieht und sogar auch, über das, was die SIA-Norm 118 vorsieht – nämlich eine zweijährige Rügefrist ab Abnahme (Art. 172) und eine fünfjährige Verjährungsfrist ab Abnahme (Art. 180).
Für die ausführenden Unternehmungen ist der NR-Beschluss äusserst nachteilig: Gegenüber ihren Lieferanten können sie ihre Mängelrechte aus Kaufvertrag nicht im selben Umfang geltend machen und damit tragen sie ein erhöhtes Risiko. Sie laufen zudem Gefahr, mehr finanzielle Mittel auf Sperrkonten hinterlegen zu müssen. Zu Unrecht geht man hier von verbreitetem Pfusch am Bau aus.
In der aktuellen Sommersession war sodann der Ständerat am Zug: Seine vorberatende Kommission zeigte sich schon mal skeptisch gegenüber dem schwer nachvollziehbaren Beschluss des Nationalrates und liess Anhörungen durchführen, um sich ein umfassenderes Bild von der Situation zu machen. Schliesslich hat sie sich die vorberatende Ständeratskommission mit 10:0 Stimmen deutlich für eine 60-tägige Rügefrist und für die bisherige 5-jährige Verjährungsfrist ausgesprochen. Im Hinblick auf die Behandlung im Ständerat durfte dies als positives Zeichen interpretiert werden. Dennoch hat ISOLSUISSE dem Geschäft weiterhin hohe Priorität eingeräumt und sich bei einzelnen Ständeräten direkt für eine 60-tägige Rügefrist und für eine 5-jährige Verjährungsfrist eingesetzt. Der Ständerat sprach sich schliesslich sehr deutlich für diese ausgewogene Lösung aus.
Da zwischen den beiden Räten nun inhaltliche Differenzen bestehen, geht das Geschäft zurück an den Nationalrat.